Tagung: 12.–13. Mai 2022, Universität für Angewandte Kunst Wien
Während der Lockdowns haben Museen ihre bereits bestehenden Initiativen zur Digitalisierung der Sammlungsbestände und Ausstellungspraxis mit Nachdruck konkretisiert und diese zukunftsgewandte Virtualisierung mit ihrer Ausweitung partizipativer Möglichkeiten als einen weiteren Zugänglichkeits- bzw. Demokratisierungsschub beworben. Damit schienen nicht nur die institutionskritischen Auseinandersetzungen um die Hegemonie der Museen suspendiert zu sein, sondern auch die algorithmischen Regime der Datenbanken mitsamt den dazugehörigen Ideologien blieben unberührt. Das Museum übernahm so das unternehmerische Paradigma eines Silicon-Valley-Techkonzerns, ohne die damit verbundenen Werbe- wie Verkaufsmechanismen von Information/Daten kritisch zur Disposition zu stellen.
Wenn das Museum die Kunst nicht nur zeigt, sondern im Marketing-Stil eines digitalen Content-Providers im Hinblick auf die tatsächlichen Sehgewohnheiten der User*innen „optimiert“ und sie dabei den indexikalischen und ästhetischen Erfordernissen einer Software anpasst, deren proprietäres Format von einem privaten Unternehmen diktiert wird, dann bleibt hiervon die Definition der Kunst, die zur Darstellungsoberfläche reduziert wird, nicht ausgespart.
An der Tagung von IMAGE+ wollen wir die Schnittflächenkompatibilität des Museums mit seiner ortspezifischen und historischen Genese zu einem scheinbar ideologiefreien Rechenzentrum bzw. einer global verfügbaren Datenbank kritisch hinterfragen. Wir schlagen vor, diese Entwicklung entlang der folgenden Fragestellungen zu untersuchen.
Den Begriff „Cloud-Based Institutional Critique“
führt der Autor Mike Pepi ein, um die ideologischen Konflikte zwischen
Museen, aber auch anderen Kultureinrichtungen, und den Mechanismen des
vernetzten Kapitalismus und dessen algorithmischer Regulierung zu
erfassen. Der Versuch, die sozialpolitischen wie auch ästhetischen
Implikationen dieser Konflikte einzuordnen, wirft einige Fragen auf.
–
In ihrer Geschichte waren öffentliche Kunstinstitutionen immer wieder
mit der Logik des Marktes konfrontiert. Der vernetzte Kapitalismus lässt
aus Besucher*innen Nutzer*innen und aus Kunstwerken Datensätze von
Bilddateien und Metadaten werden. Wie verändern diese Verschiebungen die
Relevanz (und die Funktion) der Kunstinstitutionen und der Kunstwerke,
die sie beherbergen? / Wie verändern diese Verschiebungen den
Handlungsraum der Kunstinstitutionen und beeinflussen die in diesem Raum
eingebetteten Kunstwerke?
– Durch eine ausdifferenzierte
Arbeitsteilung pflegen Kunstinstitutionen, im Besonderen die Museen,
durch Kurator*innen, Direktor*innen, Konservator*innen etc. ihre
Bestände. Diese werden untersucht, kontextualisiert, diskursivisiert und
ggf. einer Provenienzforschung unterzogen und restituiert. Die
Datenbankadministrator*innen können solche Prozesse unterstützen;
dennoch unterscheiden sich ihre Anliegen grundlegend hiervon. Sie
präsentieren Informationen für User*innen im Hinblick auf die
technischen Erfordernisse/Möglichkeiten eines Datenbankdesigns. Beziehen
sich Kunstinstitutionen und Datenbanken in ihrer Arbeit auf ein
ähnliches Verständnis eines öffentlichen „Gedächtnisses“? Falls nicht:
Wie und wodurch unterscheiden sich die ideologischen Vorannahmen?
Diese
Auseinandersetzungen um das ideologische Fundament der Datenbanken
bekommen zusätzliche Dringlichkeit im Hinblick auf das Forschungsgebiet
der digitalen Kunstgeschichte. Die Künstlerin und Theoretikerin Hande
Sever weist in „Biases within Digital Repositories: The Getty Research Portal“
nach, dass die Formen einer kunsthistorischen Voreingenommenheit von
den bestehenden in die technischen Strukturen transferiert und dort noch
erweitert werden: Damit verstetigt sich also die kunsthistorische
Unterbewertung des kulturellen Erbes der nicht-euro-amerikanischen Welt
in den Datenbanken. Diese analogen und digitalen Prozesse verweben sich
derart ineinander, dass sich nicht klar benennen lässt, wo „die
technische Entscheidung beginnt und wo das kulturelle Vorurteil endet,“
so Sever. Das Digitale stellt somit keinen abgesonderten Parallelraum
dar.
– Wie lassen sich die Metadaten von Terminologiedatenbanken wie
dem als internationaler Standard fungierenden Getty Vocabularies auf
ihre technische Voreingenommenheit befragen?
Für die Beiträge ist eine Länge von 15–20 Minuten vorgesehen. Wir
bitten um Abstracts im Umfang von max. 3000 Zeichen und eine
Kurzbiographie (max. 1500 Zeichen) per E-Mail an image@uni-ak.ac.at. Vortragende erhalten Honorar und Reisekosten. Konferenzsprachen: Deutsch und Englisch.
Alle Vorträge werden auch live online ausgestrahlt und falls möglich
online verfügbar bleiben. Die Teilnahme an der Konferenz ist kostenlos.
Bei Rückfragen kontaktieren Sie bitte image@uni-ak.ac.at.